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,Gender‘ bedeutet dem biologischen Geschlecht (,Sex‘) gegenüber die kulturell und gesellschaftlich bedingte Geschlechtsidentität, die relativ flüssig ist und ständig der Negotiation unterworfen ist. Die Verlobung in St. Domingo (1811) zeigt, wie ein Mestizen-Mädchen namens Toni, über dessen Rassen- und Geschlechtsidentität bei dem „Fremden“ Unsicherheit herrscht, eine ,weiße Frau‘ wird. Die Forschung hat bereits herausgestellt, daß dies auf performative Weise geschieht: durch die Nachahmung eines der beiden „Weiblichkeitsmuster“ - „ein Schreck- und ein Vorbild“ (Weigel) -, die der „Fremde“ ihr vorgibt, und durch die Erklärung: „,Ich bin eine Weiße‘“. Weigel erkennt im Tode des Mädchens den „Effekt der Verkörperung eines Frauenbildes“, das Konzepte aus dem Diskurs über das weibliche Geschlecht im 18. Jahrhundert zitiert. Meine Frage ist nun: Was hat „im Lauf einer einzigen Nacht ihre [Tonis] Gedanken so plötzlich“ umgewandelt?, wie sie sich in der Erzählung die Mutter Babekan stellt. Den „gesellschaftlichen Druck“ (Butler), unter dem sich der Theorie zufolge die Gender-Performanz vollzieht, empfängt Toni in viel stärkerem Maße von ihrer ,schwarzen‘ Mutter (es droht ihr die „Todesstrafe“). Es ist die Liebe, und man muß annehmen, daß diese dem gesellschaftlichen Druck gegenüber ein Vakuum bildet, das zugleich als ein Transitraum fungiert. Für den Übergang Tonis zu einer neuen Identität ist aber entscheidend, daß die Liebe sogleich mit Gewalt gekoppelt wird, d. h. daß die Liebe sofort in der Ehe bzw. Verlobung institutionalisiert und funktionalisiert wird. Die bürgerliche Ehe beruht auf dem asymmetrischen Verhältnis von Mann und Frau, das die nicht sklavische, sondern freiwillige und solidarische Aufopferung der Frau beinhaltet. Der Geschlecktsakt ähnelt so einem Opferritual, nach dem Toni „wie eine Leblose“ ist. Schließlich beweist die Hinrichtung Tonis durch Gustav die der Ehe inhärente Gewalt. Während Toni hinsichtlich ihrer Identität bei dem Fremden nur Unsicherheit hervorruft, ist in Penthesilea (1808) die Amazonenkönigin für die Griechen als grenzüberschreitende Figur ein ,Schreckbild‘. Die Amazonen sind „dem Geschlecht der Männer nicht mehr dienstbar“. Der Frauenstaat kennt aber kein symmetrisches Geschlechterverhältnis, sondern steht nur in einem spielgelverkehrten Verhältnis zum Männerstaat. Statt der Ehe ist hier das „Rosenfest“ die Institution der Liebe, die auf der Aufopferung eben das anderen Geschlechts aufgebaut ist. So ist für Achilles und Penthesilea die Liebesvorstellung beiderseits zugleich mit Gewalt verknüpft. Wenn die Liebe aber, anders als in der Erzählung, hier nicht sogleich in die Ehe (bzw. Rosenfest) übergeht, liegt das an den zwei gleichen Machtansprüchen. In dieser Konstellation entfaltet sich die Liebe in ihrem vollen Umfang. Zunächst bewirkt sie den Identitätsverlust (Vakuum). Vom Blick der sterbenden Penthesilea „im Inersten getroffen“ „entwaffent“ sich Achilles und unterwirft sich Penthesilea; Penthesilea genauso, „in dem Innersten getroffen“, fragt sich: „,Was bin ich denn seit einer Hand voll Stunden?“, erklärt sich für „die Überwundene, Besiegte“ und unterwirft sich Achilles. Die Liebe ist ein Topos, an dem keine binären Oppositionen („Kraft bloß und ihren Widerstand“, weiblich und männlich, Liebe und Haß) herrschen, sondern ein Prinzip der Paradoxie (also ein „Drittes“): so stellt Luhmann die verschiedenen Paradoxien, die die Liebe als Passion codiern, folgendermaßen dar: „erobernde Selbstunterwerfung, gewünschtes Leiden, sehende Blindheit, bevorzugte Krankheit, bevorzugtes Gefängnis, süßes Martyrium“. Die Liebe als „Passion“ mündet in „die Maßlosigkeit, den Exzeß“, bei Penthesilea: ihr Zerreißen Achills, was aber Kleist durchaus positiv bewertet (Prothoe lobt Penthesilea als „die gesunde Eiche“). So wird die Liebe als Passion, Penthesileas dionysischer Zustand in Liebe, bei Kleist eine utopische Vision - wie später bei Nietzsche und Musil -, hier in Hinblick u.a. auf eine andere Geschlechter-Ordnung, an der sich die Gender-Negotiation ausrichten soll.


,Gender‘ bedeutet dem biologischen Geschlecht (,Sex‘) gegenüber die kulturell und gesellschaftlich bedingte Geschlechtsidentität, die relativ flüssig ist und ständig der Negotiation unterworfen ist. Die Verlobung in St. Domingo (1811) zeigt, wie ein Mestizen-Mädchen namens Toni, über dessen Rassen- und Geschlechtsidentität bei dem „Fremden“ Unsicherheit herrscht, eine ,weiße Frau‘ wird. Die Forschung hat bereits herausgestellt, daß dies auf performative Weise geschieht: durch die Nachahmung eines der beiden „Weiblichkeitsmuster“ - „ein Schreck- und ein Vorbild“ (Weigel) -, die der „Fremde“ ihr vorgibt, und durch die Erklärung: „,Ich bin eine Weiße‘“. Weigel erkennt im Tode des Mädchens den „Effekt der Verkörperung eines Frauenbildes“, das Konzepte aus dem Diskurs über das weibliche Geschlecht im 18. Jahrhundert zitiert. Meine Frage ist nun: Was hat „im Lauf einer einzigen Nacht ihre [Tonis] Gedanken so plötzlich“ umgewandelt?, wie sie sich in der Erzählung die Mutter Babekan stellt. Den „gesellschaftlichen Druck“ (Butler), unter dem sich der Theorie zufolge die Gender-Performanz vollzieht, empfängt Toni in viel stärkerem Maße von ihrer ,schwarzen‘ Mutter (es droht ihr die „Todesstrafe“). Es ist die Liebe, und man muß annehmen, daß diese dem gesellschaftlichen Druck gegenüber ein Vakuum bildet, das zugleich als ein Transitraum fungiert. Für den Übergang Tonis zu einer neuen Identität ist aber entscheidend, daß die Liebe sogleich mit Gewalt gekoppelt wird, d. h. daß die Liebe sofort in der Ehe bzw. Verlobung institutionalisiert und funktionalisiert wird. Die bürgerliche Ehe beruht auf dem asymmetrischen Verhältnis von Mann und Frau, das die nicht sklavische, sondern freiwillige und solidarische Aufopferung der Frau beinhaltet. Der Geschlecktsakt ähnelt so einem Opferritual, nach dem Toni „wie eine Leblose“ ist. Schließlich beweist die Hinrichtung Tonis durch Gustav die der Ehe inhärente Gewalt. Während Toni hinsichtlich ihrer Identität bei dem Fremden nur Unsicherheit hervorruft, ist in Penthesilea (1808) die Amazonenkönigin für die Griechen als grenzüberschreitende Figur ein ,Schreckbild‘. Die Amazonen sind „dem Geschlecht der Männer nicht mehr dienstbar“. Der Frauenstaat kennt aber kein symmetrisches Geschlechterverhältnis, sondern steht nur in einem spielgelverkehrten Verhältnis zum Männerstaat. Statt der Ehe ist hier das „Rosenfest“ die Institution der Liebe, die auf der Aufopferung eben das anderen Geschlechts aufgebaut ist. So ist für Achilles und Penthesilea die Liebesvorstellung beiderseits zugleich mit Gewalt verknüpft. Wenn die Liebe aber, anders als in der Erzählung, hier nicht sogleich in die Ehe (bzw. Rosenfest) übergeht, liegt das an den zwei gleichen Machtansprüchen. In dieser Konstellation entfaltet sich die Liebe in ihrem vollen Umfang. Zunächst bewirkt sie den Identitätsverlust (Vakuum). Vom Blick der sterbenden Penthesilea „im Inersten getroffen“ „entwaffent“ sich Achilles und unterwirft sich Penthesilea; Penthesilea genauso, „in dem Innersten getroffen“, fragt sich: „,Was bin ich denn seit einer Hand voll Stunden?“, erklärt sich für „die Überwundene, Besiegte“ und unterwirft sich Achilles. Die Liebe ist ein Topos, an dem keine binären Oppositionen („Kraft bloß und ihren Widerstand“, weiblich und männlich, Liebe und Haß) herrschen, sondern ein Prinzip der Paradoxie (also ein „Drittes“): so stellt Luhmann die verschiedenen Paradoxien, die die Liebe als Passion codiern, folgendermaßen dar: „erobernde Selbstunterwerfung, gewünschtes Leiden, sehende Blindheit, bevorzugte Krankheit, bevorzugtes Gefängnis, süßes Martyrium“. Die Liebe als „Passion“ mündet in „die Maßlosigkeit, den Exzeß“, bei Penthesilea: ihr Zerreißen Achills, was aber Kleist durchaus positiv bewertet (Prothoe lobt Penthesilea als „die gesunde Eiche“). So wird die Liebe als Passion, Penthesileas dionysischer Zustand in Liebe, bei Kleist eine utopische Vision - wie später bei Nietzsche und Musil -, hier in Hinblick u.a. auf eine andere Geschlechter-Ordnung, an der sich die Gender-Negotiation ausrichten soll.