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Die griechische Mythologie hat für die europäische Kunst und Literatur zahlreiche und zentrale Motive geliefert. Viele Autoren haben sich beständig von der Antike inspirieren lassen. Auch im 21. Jahrhundert hält das Interesse von Autoren und Künstlern unvermindert an, Motive und Figuren der griechischen Mythologie neu zu bearbeiten. Für die lange Transformationsgeschichte der griechischen Mythologie ist der Mythos von Medea exemplarisch. Er wurde so extensiv aufgenommen und geformt, dass in Literatur, bildender Kunst, Musik und Film über dreihundert Medea-Metamorphosen registriert werden. Je nach den jeweiligen zeitlichen und gesellschaftlichen Umständen, in denen die Autoren leben, wurde Medea anders und neu bearbeitet. Es ist daher nicht übertrieben, wenn Christa Wolf in ihrem Medea-Roman feststellt, dass Medea eine "Gestalt mit dem magischen Namen, in der die Zeiten sich treffen" ist. In der Medea des Euripides tötet Medea ihre Kinder, um sich an Jason zu rächen. Sie wird zur leidenschaftlichen Frau, deren Liebe rigoros in Rache umschlagen kann, als Vergeltung für den Verrat ihres Mannes, dem sie einst alles geopfert hatte. Das Maß der Liebesleidenschaft Medeas wird nun von Euripides noch dramatischer inszeniert, indem er sie zu Kindermörderin macht, deren Zorn und Verzweiflung keine Grenzen kennt. Euripides' Tragödie Medea läßt sich nun aber nicht als eine Diffamierung rächender und damit abschreckender Frauen interpretieren; denn sie enthält durchaus auch feministische Ansätze. In Medea wird Jason, in der Mythologie als Held und Führer der Argonauten etabliert, zu einem infamen und betrügerischen Ehemann, der den Bruch des heiligen Eides auch noch mit Ausflüchten zu rechtfertigen versucht. Seinen Verrat verurteilt nicht nur Medea, sondern auch die Korintherinnen, die den Chor bilden. Es ist zu beachten, dass die Korintherinnen nicht nur die Rache an Jason, sondern auch an Kreon für Recht befinden, obwohl er ihr König und Medea eine Fremde aus Kolchis ist. Durch ihre Solidarisierung wird Medea zur Repräsentantin der Frauen im allgemeinen, obwohl sie eine Ausländerin ist. Im 5. Jahrhundert v. Chr. gehörten Frauen, Kinder und Sklaven samt dem sächlichen Eigentum zum Oikos, das dem Herrn, Kyrios, gehörte. Unter diesen Bedingungen läßt sich die Klage Medeas auch als eine provokative Kritik der patriarchalischen Herrschaftsordnung vernehmen. Dadurch kann Medea als eine feministische Figur etabliert werden, die gegen die vorherrschende Unterdrükung protestiert. Die von Euripides entworfene Medea stellt wichtige Bezugspunkte für die neuzeitlichen Medeaversionen bereit. Medea ist "als leidenschaftlich Liebende und verlassene Frau, als mörderische Schwester und Mutter, als heilkundige Zauberin und todbringende Giftmischerin", "eine ambivalente Bezugsfigur" geworden, die über Jahrtausende zugleich Schrecken und Faszination hervorruft hat.